Buchcover (S. Fischer Verlag)
Bild: S. Fischer Verlag

OHRENBÄR-Redakteurin Sonja Kessen stellt vor: - "Ein Hund mit Flügeln. Erfundenes und Erlebtes"

Bei Kinder- und Jugendbuchautor Paul Maar kann Pegasus nur ein geflügelter Hund sein: So heißt sein neues Buch auch "Ein Hund mit Flügeln". Auf dem Cover hat er ihn mit wenigen Strichen perfekt in Szene gesetzt – kein stolzes Dichterross, sondern ein treuherziges Hündchen, das zwischen den Welten schwebt.

Der schmale Band versammelt mit Erfundenem und Erlebtem ein Füllhorn an bislang unveröffentlichten Texten, Themen und Tonlagen aus den über 50 Jahren seines Schaffens. Vom pointierten Reim über Parabel, Dramolett und Kurzgeschichte bis hin zu Fabel und Märchen schöpft er seine Möglichkeiten aus. Dichtung und Wahrheit gehen dabei ineinander über. Sei es bei dem Ehepaar, das sich beim Frühstück über Banalitäten austauscht, während im Ehemann absurde Fantasien hochkochen. Sei es in Reisetagebucheinträgen, die bei aller Alltagsnähe jede Begebenheit schon dramatisieren. Sei es in den kurzen "Geschichten von Herrn Lampert", der als Poet einen anderen Zugang zur Welt hat als seine prosaische Frau. Als er einen geflügelten Hund zeichnet und ihr das Bild zeigt, sieht sie nur ein weißes Blatt. Die Quintessenz für Herrn Lampert? "Ich hätte ihm keine Flügel malen dürfen. Nun ist er davongeflogen."

Ein Buch für Maar-Kenner und -Liebhaber

Trotz des naiv-warmen Zugangs: Paul Maar legt kein Kinderbuch vor, sondern eines für Erwachsene. Bereits vor zwei Jahren hat er mit dem Kindheitsroman "Wie alles kam" ein neues künstlerisches Kapitel aufgeschlagen, indem er sich an eine erwachsene Leserschaft wendet. Jetzt legt er ein Buch vor, das weniger für Einsteiger ins Maarsche Werk geeignet ist, sondern eines, das für Maar-Kenner und -Liebhaber das Gesamtwerk komplettiert. Als Dichter, Erzähler und Zeichner bleibt er sich treu, immer schon hat er gesammelt, fabuliert, witzig gezeichnet, aufs Verrätselte und die unerwartete Wendung gesetzt, gerne auch mit einem Touch Grusel versehen. Sowohl in "Die beiden Türen. Ein melancholisches Märchen" als auch der Kriegsgeschichte "Im Graben" schaut man mit den Figuren hinter den Vorhang, geht den Schritt weiter und begegnet dem Anderen. Und immer schon hat er Tiefgreifendes schlicht ausdrücken können. Seiner lebenslangen Begleiterin Nele, die an Demenz erkrankt ist, setzt er auf diese Weise ein berührendes Denkmal mit den Gedichten "Mit dir" und "Nele". Einfach wunderbar.