Schreib-AG der Fichtelgebirge-Grundschule aus Berlin - Autoren der zweitplatzierten Geschichte des OHRENBÄR-Schreibwettbewerbs 2016 (Quelle: privat)
Bild: privat

- "Ein Paket für Leon" (2. Platz)

Leon sitzt mal wieder vor den Hausaufgaben. Er hat schwierige Rechenaufgaben zu lösen. Plötzlich hört er seine Mutter rufen: „Leon, hast du heute schon in den Briefkasten geguckt?“

„Nein, Mama, ich muss noch meine Hausaufgaben machen. Warum fragst du?“

„Weil ein Brief für dich angekommen ist. Dein Onkel aus Amerika hat dir geschrieben.“

Leon rennt eilig zum Briefkasten und holt den Brief heraus. Er starrt den Brief an, dreht ihn hin und her und hält den Umschlag gegen das Licht. „Was da wohl drin steht?“, fragt sich Leon. Mit dem Brief in der Hand geht er in sein Zimmer. Er reißt den Umschlag auf. Gut, dass Leon schon lesen kann, denn er ist in der zweiten Klasse. Er holt ein schönes Briefpapier aus dem Umschlag, auf dem steht:

Lieber Leon,

ich hoffe, dir geht es gut. Ich freue mich schon darauf euch in den Sommerferien zu besuchen. Warum ich dir schreibe? Ich habe eine Überraschung für dich. Du bekommst morgen ein Paket von mir.

Ich hoffe, du freust dich über den Inhalt.

Liebe Grüße

Dein Onkel Paul

Leon ist ganz aufgeregt! „Eine Überraschung?  Was könnte das nur sein?“, denkt er und rennt zu seiner Mutter, doch die ist schon auf dem Sofa eingeschlafen. „Mit Müttern ist ja auch nichts mehr los“, denkt sich Leon und geht zurück in sein Zimmer. Leon legt sich in sein Bett und hält den Brief vor sich. Mit freudigen Gedanken schläft Leon ein.

Am nächsten Morgen klingelt es an der Haustür. Leon rennt zu Tür, seine Mutter ruft: „Leon, machst du bitte die Tür auf?“

„Bin schon dabei“, ruft er zurück und mit einem Satz ist er an der Eingangstür und öffnet sie. Und vor ihm steht ein Postbote mit einem Paket in der Hand. Leon starrt gebannt darauf.

„Wohnt hier ein Leon Beutler?“, fragt ihn der Postbote.

„Äh, ja, nein, aber natürlich“, stottert Leon. „Ja, das bin ich!“

Der Postbote überreicht ihm das Paket und läuft mit einem „Schönen Tag noch!“ davon.

Leon steht noch immer mit dem Paket in der Tür und liest seinen Namen auf dem braunen Packpapier. Dort steht:

An Leon Beutler

Görlitzer Ufer 2

10997 Berlin

Das muss die Überraschung von Onkel Paul sein. Er rennt mit dem Paket in die Küche, holt eine Schere und schneidet das Klebeband auf. Mit zittrigen Händen klappt Leon das Paket langsam auf. Was war das? In dem Paket ist … sind lauter Einzelteile. Leon ist enttäuscht. Ob die Überraschung unterwegs vielleicht kaputtgegangen ist? Aber was ist das? Da liegt ja ein Zettel. Leon liest ihn:

Lieber Leon

hier ist wie versprochen das Paket. Ich hoffe, du bist nicht enttäuscht, denn du hast dir bestimmt was Anderes vorgestellt. Aber es wird dir sicher gefallen, denn aus den Einzelteilen kann man einen Roboter bauen. Auf der Rückseite findest du die Anleitung.

Viel Spaß

Dein Onkel Paul

Leon macht sich sofort daran, die Anleitung zu studieren und baut ein Teil nach dem anderen zusammen. Als er fertig ist, ist es schon dunkel draußen.

Mama ruft: „Leon, Zähne putzen und danach ab ins Bett!“

„Ja, gleich, Mama, ich will nur noch was probieren.“ Er steckt zwei dicke Batterien in ein Fach am Rücken des Roboters, die Onkel Paul ihm auch ins Paket gesteckt hat. Dann schaltet er den Roboter ein und stellt ihn auf den Boden. Seine Arme und Beine bewegen sich und der Roboter läuft durch Leons Zimmer, dabei piept er leise vor sich hin. Leon kann es nicht fassen, er hat jetzt tatsächlich einen Roboter, er setzt sich aufs Bett. Das leise Motorengeräusch und das Piepsen des Roboters machen ihn ganz müde. Er lässt sich langsam ins Bett sinken und irgendwann fallen ihm die Augen zu und Leon schläft zufrieden ein.

Am nächsten Tag liest sich Leon noch einmal die Anleitung des Roboters genau durch und entdeckt, dass es ein Mathe-Roboter ist. Er kann jede noch so schwere Mathe-Aufgabe lösen.

„Was für ein Glück“, denkt Leon, denn er hasst Rechnen. Ab sofort sind die Mathe-Hausaufgaben aber ein Klacks für Leon, denn sein neuer Roboter löst jede Aufgabe für ihn. Leon muss die Aufgabe nur laut vorlesen und schon nennt ihm der Roboter das Ergebnis.

Auch Leons Lehrerin Frau Ratzelkritz ist ganz überrascht, dass er jeden Tag seine Hausaufgaben vorlesen möchte und sie lobt ihn oft.

„Ach, das Leben kann einfach Klasse sein, wenn man einen Roboter hat, der einem diese doofen Matheaufgaben vom Hals schafft“, denkt sich Leon. Die nächsten drei Wochen läuft für ihn alles bestens. Doch dann steht die gefürchtete Mathe-Arbeit an.

Am Abend kann Leon gar nicht einschlafen. Wie soll er nur diese Mathe-Arbeit bestehen? Der Roboter hat doch immer alles für ihn gerechnet und Leon hat überhaupt nicht geübt. Und den Roboter zur Mathe-Arbeit mitnehmen? Das geht ja auch nicht. Frau Ratzelkritz wird ihm den sicher wegnehmen. Und dann kommt alles raus.

Was soll Leon nur tun? Er weiß es einfach nicht. Vor lauter Sorgen und Grübeln schläft Leon dann irgendwann doch erschöpft ein. Am nächsten Morgen weckt ihn seine Mutter: „Leon aufstehen, du musst zur Schule! Du schreibst doch heute eine Mathearbeit. Na das wird doch sicher ein Klacks für dich, so gut wie du inzwischen im Rechnen bist!“

Leon lächelt seine Mama müde an. Wenn die wüsste! Beim Frühstück kriegt er keinen Bissen runter. Mit Bauchschmerzen schleicht Leon in die Schule.

Gleich in der ersten Stunde verteilt Frau Ratzelkritz die Mathe-Arbeit. Leon starrt auf das Blatt, ihm wird richtig übel. Die Zahlen verschwimmen vor seinen Augen. Frau Ratzelkritz lächelt ihn an.

„Alles in Ordnung, Leon? Du siehst so blass aus. Mach dir keine Sorgen, das schaffst du doch mit links!“

„Au Backe“, denkt Leon und rutscht unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Am liebsten würde er jetzt aus dem Klassenzimmer rennen, aber das geht ja nicht. Also, murmelt er sich selbst ein verzweifeltes „du schaffst das schon!“ zu. Leon atmet tief durch und liest sich noch einmal in Ruhe die Mathe-Aufgaben durch. Und plötzlich wird Leon alles klar. Der Roboter hat zwar immer alle Aufgaben für ihn gelöst, aber irgendwie hat Leon dabei wohl doch etwas gelernt. Denn plötzlich weiß er, wie es funktioniert. Er kann es selbst kaum fassen, aber er löst eine Aufgabe nach der anderen. Ja, er hat sogar richtig Spaß dabei. Kurz vor Ende der Stunde löst Leon auch die letzte Mathe-Aufgabe und legt erschöpft, aber sehr zufrieden mit sich den Füller zur Seite. Kurz danach sammelt Frau Ratzelkritz die Klassenarbeiten ein und bleibt kurz bei Leon stehen. Sie lächelt ihn freundlich an: „Na, wie war die Klassenarbeit?“

Und Leon sagt: „Einfach Klasse!“

Begründung der Jury

Welcher Schüler kennt ihn nicht: den Wunsch, dass ein Roboter einem Denken und Fleißarbeit abnimmt?! Diesen Wunsch greift die Schreib-AG auf und erfindet mit Leon einen Jungen, der dicht an Alltag und Wunschvorstellungen von Grundschülern bleibt. Der Jury gefielen die Wahl der personalen Perspektive und die klare Sprache. So kommt man Leons Aufregung und Gewitztheit, aber auch seiner Versagensangst nahe. Der stringente Spannungsaufbau macht das abenteuerliche Geschehen verständlich. Er führt vor Augen, wie sehr es einen reizen kann, mal mit Schummeln vorwärts zu kommen, aber auch, dass der Nervenstress riesig wird. Weil Leon gut aufgepasst hat, braucht er den Roboter gar nicht mehr! Diese Wendung führt zum guten Ende. Interessant fand die Jury außerdem, dass die Mutter eine Randfigur bleibt und ihren Sohn machen lässt, ohne einzugreifen. Sie lässt es zu, dass er seine Erfahrung macht und vertraut darauf, dass er sich ehrlich seinen Erfolg verdient. Einfach Klasse!